Extrablatt. Note der Sowjetregierung an die Westmächte über den Friedensvertrag mit Deutschland
Flugblatt mit dem Text einer Stalinnote.
Alster-Druck GmbH
Hamburg, 1952
Druck
35,6 x 24,9 cm
Haus der Geschichte, Bonn
EB-Nr.: 1993/12/0472


(Zweite) Note der sowjetischen Regierung an die Westmächte über den Friedensvertrag mit Deutschland vom 9. April 1952

Im Zusammenhang mit der Note der Regierung der Vereinigten Staaten vom 25. März dieses Jahres erachtet es die Sowjetregierung für notwendig, folgendes zu erklären:

In ihrer Note vom 10. März hat die Sowjetregierung der Regierung der Vereinigten Staaten sowie den Regierungen Großbritanniens und Frankreichs vorgeschlagen, unverzüglich die Frage eines Friedensvertrages mit Deutschland zu erörtern, um in unmittelbarer Zukunft einen vereinbarten Entwurf für einen Friedensvertrag vorzubereiten. Zur Erleichterung der Vorbereitung des Friedensvertrages hat die Sowjetregierung einen Entwurf der Grundlagen des Friedensvertrages mit Deutschland unterbreitet und ihr Einverständnis erklärt, auch beliebige andere Vorschläge zu erörtern.

Die Sowjetregierung hat dabei den Vorschlag gemacht, daß der Friedensvertrag unter unmittelbarer Beteiligung Deutschlands, vertreten durch eine gesamtdeutsche Regierung, ausgearbeitet werden soll. In der Note vom 10. März wurde weiterhin vorgesehen, daß die Sowjetunion, die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich, die Besatzungsfunktionen in Deutschland ausüben, die Frage der Voraussetzungen für die möglichst baldige Bildung einer gesamtdeutschen, dem Willen des deutschen Volkes Ausdruck verleihenden Regierung prüfen sollen.

Bei ihren Vorschlägen zur Frage eines Friedensvertrages mit Deutschland und zur Bildung einer gesamtdeutschen Regierung ging die Sowjetregierung davon aus, daß die Lösung dieser Grundfragen große Bedeutung für die Festigung des Friedens in Europa besitzt und den Forderungen nach einer gerechten Haltung gegenüber den rechtmäßigen nationalen Interessen des deutschen Volkes entspricht. Die Dringlichkeit des Abschlusses eines Friedensvertrages mit Deutschland macht es notwendig, daß die Regierungen der Sowjetunion, der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs unverzüglich Maßnahmen zu Vereinigung Deutschlands und zur Bildung einer gesamtdeutschen Regierung treffen.

In Übereinstimmung hiermit erachtet es die Sowjetregierung für notwendig, daß die Regierungen der Sowjetunion, der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs ohne Verzug die Frage der Durchführung freier gesamtdeutscher Wahlen erörtern, wie sie dies bereits früher vorgeschlagen hat. Die Anerkennung der Notwendigkeit der Durchführung freier gesamtdeutscher Wahlen durch die Regierungen der Sowjetunion, der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs schafft durchaus die Möglichkeit, diese Wahlen in unmittelbarer Zukunft durchzuführen.

Was den Vorschlag betrifft, daß eine Kommission der Vereinten Nationen im Zusammenhang mit bevorstehenden freien gesamtdeutschen Wahlen prüfen soll, ob die Voraussetzungen für solche Wahlen gegeben sind, so steht dieser Vorschlag im Widerspruch zur Charta der Vereinten Nationen, die gemäß Artikel 107 eine Einmischung der Vereinten Nationen in deutsche Angelegenheiten ausschließt. Eine solche Prüfung könnte durch eine Kommission vorgenommen werden, die von den vier in Deutschland Besatzungsfunktionen ausübenden Mächten zu bilden wäre.

Die Regierung der Vereinigten Staaten hatte die Möglichkeit, sich mit dem von der Sowjetregierung vorgeschlagenen Entwurf der Grundlagen eines Friedensvertrages mit Deutschland vertraut zu machen. Die Regierung der Vereinigten Staaten hat sich nicht einverstanden erklärt, die Erörterungen dieses Entwurfs aufzunehmen und hat keinen eigenen Entwurf eines Friedensvertrages mit Deutschland vorgeschlagen. Zugleich hat die Regierung der Vereinigten Staaten eine Reihe von Einwänden zu einzelnen Punkten des sowjetischen Entwurfes der Grundlagen eines Friedensvertrages mit Deutschland erhoben; das hat den weiteren Notenaustausch zwischen den Regierungen und eine Verzögerung der Lösung der strittigen Fragen zur Folge. Bei direkten Verhandlungen durch die Mächte hätte das vermieden werden können. Da jedoch in der Note der Vereinigten Staaten vom 25. März eine Anzahl solcher Fragen aufgeworfen werden, hält es die Sowjetregierung für notwendig, auf diese Fragen einzugehen. Im sowjetischen Entwurf der Grundlagen eines Friedensvertrages mit Deutschland heißt es: "Deutschland verpflichtet sich, keinerlei Koalitionen oder Militärbündnisse einzugehen, die sich gegen irgendeinen Staat richten, der mit seinen Streitkräften am Kriege gegen Deutschland teilgenommen hat."

Die Sowjetregierung ist der Ansicht, daß ein solcher Vorschlag den Interessen der Mächte, die Besatzungsfunktionen in Deutschland ausüben, sowie auch der Nachbarstaaten und gleichermaßen den Interessen Deutschlands selber als eines friedliebenden und demokratischen Staates entspricht. Ein solcher Vorschlag enthält keine unzulässige Beschränkung der souveränen Rechte des deutschen Staates. Dieser Vorschlag schließt jedoch auch eine Einbeziehung Deutschlands in eine gegen irgendeinen friedliebenden Staat gerichtete Mächtegruppierung aus.

In dem sowjetischen Entwurf eines Friedensvertrages mit Deutschland heißt es: "Es wird Deutschland gestattet sein, eigene nationale Streitkräfte (Land-, Luft- und Seestreitkräfte) zu besitzen, die für die Verteidigung des Landes notwendig sind."

Die Sowjetregierung hat bekanntlich einen gleichartigen Vorschlag auch zum Entwurf eines Friedensvertrages mit Japan gemacht. Ein solcher Vorschlag entspricht den Grundsätzen der nationalen Souveränität und der Gleichberechtigung der Staaten. Es ist undenkbar, daß Japan ein Recht auf nationale, für Zwecke der Landesverteidigung bestimmte Streitkräfte haben sollte, während Deutschland dieses Rechtes beraubt und in eine schlechtere Lage versetzt sein sollte.

Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß es sowohl für die Sache des Friedens als auch für die deutsche Nation bedeutend besser wäre, solche für die Verteidigung bestimmte Streitkräfte zu schaffen, als in Westdeutschland Söldnertruppen der Revanchepolitiker mit faschistischen Hitler-Generälen an der Spitze aufzustellen, die bereit sind, Europa in den Abgrund eines dritten Weltkrieges zu stürzen.

Was die Grenzen Deutschlands betrifft, so hält die Sowjetregierung die entsprechenden Beschlüsse der Potsdamer Konferenz, die von der Regierung der Vereinigten Staaten ebenso wie von den Regierungen der Sowjetunion und Großbritannien angenommen wurden und denen Frankreich sich anschloß, für vollauf ausreichend und für endgültig.

Die Sowjetregierung schlägt der Regierung der Vereinigten Staaten erneut vor, gemeinsam mit den Regierungen Großbritanniens und Frankreichs die Erörterung eines Friedensvertrages mit Deutschland sowie der Frage der Vereinigung Deutschlands und der Bildung einer gesamtdeutschen Regierung aufzunehmen. Die Sowjetregierung sieht keinen Grund, die Lösung dieser Frage aufzuschieben. Gerade gegenwärtig entscheidet sich die Frage, ob Deutschland als einheitlicher, unabhängiger, friedliebender, zur Familie der friedliebenden Völker Europas gehörender Staat wiederhergestellt wird oder ob die Spaltung Deutschlands und die damit verbundene Gefahr eines Krieges in Europa bestehen bleibt.

Quelle: Europa-Archiv, 1952, 1, S. 4866f.

Free Web Hosting